Über eine Fliege am Fenster
Heute früh flog eine Fliege ins Schlafzimmer. Ein richtig dicker Brummer. Einer von der Sorte, die dich mit ihrem Geräusch zur Weißglut bringen können. Ich war schon nahezu wach und verfolgte das Brummen und den Flug des schwarzen Punktes mit halb geöffneten Augen. Nach ein paar Runden hatte die Fliege das Fenster wieder erreicht. Ein Fensterflügel stand offen, der andere war geschlossen. Just flog sie gegen die geschlossene Scheibe und verfing sich dort. Es brummte und klopfte, da sie bei jedem Versuch, ins Freie zu gelangen, gegen die Fensterscheibe stieß. So geht es mir auch manchmal, dachte ich.
Wahrscheinlich geht es jedem von uns manchmal so:
Wir sind uns bei einer Sache völlig sicher, weil wir sie aus unsrer Erfahrung bzw. unserer Wahrheit ableiten und können es nicht fassen, wenn wir auf eine Wirklichkeit treffen, die dem nicht entspricht. Für die Fliege ist Licht Freiheit und dem Licht entgegen zu fliegen ist Teil ihrer Natur. Für sie ist das Licht hinter der Scheibe wahr und dem fliegt sie entgegen - mit aller Kraft. Das Glas ist für sie entweder etwas, dass sie nicht versteht, oder ein Hindernis, dass es auf dem Weg zum Ziel zu durchbrechen gilt.
Geht uns das mit unseren Annahmen zur Wirklichkeit - mit unseren Glaubenssätzen - nicht auch ganz genau so?
Wenn ein Hindernis auftaucht, verhalten wir uns genau wie diese Fliege: Wir reiben uns am Hindernis, statt einen Schritt zurück zu treten und das ganze Bild anzusehen: die größere Wahrheit, oder Wirklichkeit und mit ihr neue Möglichkeiten. Denn das wäre ja auch Rettung für die Fliege: Wenn sie einmal ein größeres Stück zurück, statt immer wieder nach vorn fliegen würde, würde sie das andere, das offene Fenster entdecken. Jeder, der schon einmal eine Fliege, Wespe, Biene, oder einen Schmetterling beobachtet hat, dem dies gelingt, weiß, dass sowohl ein Geräusch als auch ein Gefühl totaler Erleichterung diesen Moment begleiten.
Und so ist es auch mit Lösungen, auf die wir kommen, wenn wir aufhören zu kämpfen und stattdessen einen Schritt zurück treten und eine neue Perspektive einnehmen: Sie lassen uns aufatmen und sind voller Freude.
Just als ich das dachte, stand mein Mann auf, nahm ein Stück Papier, ging zum Fenster und half der Fliege ihren Weg in die Freiheit zu finden. Ich musste lachen. Denn manchmal ist es eben das Beste »Hilfe!« zu rufen, wenn man nicht alleine weiter kommt - und sich helfen zu lassen, um zurück auf den eigenen Weg bzw. hinein die passende Lösung zu finden.